Landestagung 2014: Der Mensch und seine Moral
Nachbetrachtung und Diskussion
Das Thema der letzten Landestagung regte zu unterschiedlichen Reaktionen an, da es aufgrund des explizit naturwissenschaftlichen Ausgangspunktes im Unterschied zu einer rein theologischen Tagung zuerst einmal eine Ent-Täuschung im direkten Wortsinn und eine Infragestellung vermeintlicher gläubiger Klarheiten bot. Mit brennender Sorge und zugleich innerer Leidenschaft für den Glauben und die katholische Kirche geschrieben, reflektiert diese Empfindung in der Wegweisung am Anfang seines empfehlenswerten Buches „Heute im Blick“ Martin Werlen, der frühere Abt von Einsiedeln: «Vor allem soll dieses Buch aber enttäuschen. Denn eine Ent-Täuschung gibt es nur dort, wo man in einer Täuschung gelebt hat. Täuschungen sind die größten Hindernisse auf unserem Weg. Sie versperren uns oft den Blick auf das Wesentliche.» Und so stellt er radikal die Kernfrage des Glaubens: «Alles klar? Hoffentlich nicht. Denn immer dann, wenn alles klar ist oder wir alles im Griff haben, sind wir nicht mehr auf dem Weg. Darum wird hier erzählt, was wir als glaubende Menschen leider immer wieder vergessen: Eine Kirche, in der alles klar ist, ist nicht katholisch.» Der Einsiedler Mönch nimmt Bezug auf den neuen Papst und will mit seinem Buch die Menschen dazu bewegen, sich mit Papst Franziskus auf den Weg zu machen. Wie er, griffen auch wir als Verband mit dieser aktuellen und zugleich provokant riskanten Thematik ein Wort von Papst Franziskus auf, der fordert: „… dass die Kirche an die Ränder, an die Grenzen der menschlichen Existenz gehen muss, die des Schmerzes, die der Ungerechtigkeit, die der fehlenden religiösen Praxis, die des Denkens, die jeglichen Elends“.
An diese Grenzen der fehlenden religiösen Praxis und des Denkens wurden wir in der Sicht des Biologen und des naturalistischen Philosophen intensiv geführt. Zugleich spürten wir schmerzlich die fehlende Klarheit im Ringen um eine fundierte moraltheologische Antwort, was in der schwierigen Suche nach einem auch in den aktuellen naturwissenschaftlichen Forschungen und Erkenntnissen bewanderten Moraltheologen deutlich wurde. Dankenswerterweise nahm Prof. Dr. Rupert Scheule diese Herausforderung an und ging sehr flexibel und fachkundig auf die vorausgehenden Referenten ein und gab klar katholisch-gläubige Antworten in seiner „Polemik wider den genetischen Fehlschluss“, den Gedanken zu einem neuen Naturrecht und dem trinitarisch-inkarnatorischen Ausblick. Die Tagungsdokumentation verweist auf die Einschränkung, dass dies zuerst einmal nur direkt reagierende erste Bausteine einer theologischen Antwort seien. Eine noch notwendige ausführlichere systematische moraltheologische Darlegung konnte Prof. Scheule nicht mehr fristgerecht erstellen. Sie wird im nächsten Rundbrief nachgereicht.
Dem Thema entsprechend besaß diese Tagung natürlich nicht einen eher in sich geschlossenen Charakter früherer Landestagungen, sondern sie birgt den bleibenden Impuls der ständigen Auseinandersetzung auf dem Weg der Erkenntnis und des Glaubens. Selbst bei der „möglichen“ Relevanz für den konkreten Religionsunterricht bekannte Dr. Franz Hauber aus seiner intensiven Auseinandersetzung und langjährigen Erfahrung heraus, dass es keine vollständigen und abschließenden Antworten gibt. Diese Bruchstückhaftigkeit und Begrenztheit des Wissens in suchender Haltung auszuhalten, ist ebenso Kennzeichen eines authentischen katholischen Glaubens.
Der Mitherausgeber der kritischen Ausgabe der Werke von Pierre Teilhard de Chardin Dr. Dr. Karl Schmitz-Moormann schreibt in seinem Buch „Materie-Leben-Geist: Evolution als Schöpfung Gottes“ 1997 im Kapitel 5 „Gott, Schöpfer des evolvierenden Universums“: „Das Universum, wie es uns durch die Wissenschaft sichtbar geworden ist, lässt Gott in den Augen des Glaubens in einem neuen Licht erscheinen. Wie Kinder, die groß werden, ihre Eltern anders sehen, ohne dass die Eltern ihre Identität änderten, so wird sich auch die Beziehung der Menschheit, die zu einem tieferen Verständnis der Wirklichkeit des Universums, der Schöpfung, herangewachsen ist, zu ihrem Schöpfer wandeln, der mit den Augen des Glaubens in neuer Weise wahrgenommen wird.“
Auch wenn wir uns in der nächsten Landestagung 2016 in Niederalteich wieder mit einem theologischen Thema unserem eigenen Kernbereich zuwenden, nämlich der spannenden und ebenso spannungsreichen Frage „Gottesbild und Sprache“, gilt: Unser Christusglaube kann gewinnen, wo er sich auf die Zweifel einlässt, unter Getauften ebenso wie unter Sympathisanten der Religion und Fernstehenden – also gleichsam an die Ränder geht und dort den Dialog und die offene Begegnung sucht. Für die Freiheit hat uns Christus frei gemacht. Gerade im Glauben.
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Eine fruchtbare Diskussion wünscht
Ihr Landesvorsitzender P. Erhard Staufer SDB
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